„Das Jagd-Camp hat gerade angerufen und gefragt, ob wir ihnen Wasser bringen könnten. Sie können gerade nicht rauskommen.“ „Wir können es ja versuchen.“
Und so luden wir zwei fünftausend Liter Tanks auf den Traktoranhänger, banden sie provisorisch mit zwei Seilen fest und befüllten sie mit Wasser. Und dann ging die Fahrt mit fünf oder sechs Mann auf einem Traktor und drei Mann auf einem Motorrad los. Der Weg zum Jagd-Camp führte
vielleicht fünfzehn oder zwanzig Kilometer auf unbefestigten Wegen, die zum Teil durch den Regen der letzten Tage noch schlechter befahrbar waren mitten durch den Busch des Massailandes. An den einigen Stellen stand der Anhänger so bedrohlich schräg, so dass er aus meinen Augen eigentlich schon fast hätte umkippen müssen. Sicherheitshalber stiegen wir als Mitfahrer immer davor schon ab und Matthias, unser Anleiter, der den Traktor fuhr schaffte es diese Stellen irgendwie unbeschadet zu überqueren. Nach einer solchen Stelle liefen wir noch ein Stück auf einer geraden Fläche vor dem Traktor her. Auf einmal hörte ich Rufe und drehte mich sofort um. Ich sah gerade noch wie der Anhänger kippte, die Tanks zerbrachen und sich das Wasser wie eine kleine Flutwelle über die Wiese ergoss. Der Grund war, dass ein Rad des Anhängers schlagartig in der weichen Erde absank und damit das Umkippen verursachte. Glücklicherweise hatte sich jedoch niemand verletzt. Dennoch all das Wasser war weg und einer der teuren Tanks war so kaputt, dass man ihn nicht mehr hätte reparieren können und das alles eigentlich nur weil man helfen wollte. In Deutschland wären Aussagen, wie „Das kann jetzt doch echt nicht war sein!“ oder Schlimmeres in einer solchen Situation zumindest nicht auf Unverständnis gestoßen. Aber Matthias, unser Anleiter blieb erstaunlicherweise ganz ruhig und meinte nur:
„Hamna shida. Jetzt können wir eh nichts mehr machen.“
„Hamna shida“, das waren die Worte die ich zu diesem Zeitpunkt nicht zum ersten mal gehört oder auch selber gesagt habe. Frei übersetzt heißen sie so viel wie „Kein(e) Problem(e)“ und passen in fast jede Situation, egal ob etwas schief gelaufen ist oder nicht so wie geplant, man eine Entschuldigung annimmt oder in anderen Situationen oder Umstände mit denen man typischerweise in Deutschland ein Problem hätte. Aber warum sind bestimmte Situationen oder Umstände für mache ein Problem und für andere „Hamna shida“. Ich glaube das liegt vor allem an der Einstellung zu den Situationen oder
Umständen und wie man mit ihnen umgeht. Ist die Situation oder der Umstand nun nur eine
Herausforderung oder mache ich sie zu einem Problem? So hat mich echt beeindruckt, wie die Menschen in Tansania im allgemeinen viel glücklicher sind oder zumindest wirken als in
Deutschland, obwohl die Umstände eigentlich schwerer sind. Und das liegt, so vermute ich auch unter anderem an dieser „Hamna-shida-Einstellung“ und der daraus resultierende Umgang mit Problemen. Und genau das möchte ich in mein Leben noch weiter integrieren. Sprich gelassener werden und die Dinge manchmal lieber einfach so hinnehmen, mit einem „Hamna shida“ abhaken oder aktiv angehen, anstatt sich darum zu sorgen und aus ihnen Probleme zu machen.
Eine Sache, die ich in diesem Jahr neu an mir eindeckt habe ist, wie wichtig es für mein
allgemeines Wohlbefinden ist, dass ich kleine Dinge, die mich normalerweise in Deutschland
belastet hätten einfach hinnehme und nicht zu einem Problem mache. So war es kein Problem, wenn mal der Strom ausfällt, man kein oder nur schlechtes Internet hat oder es für eine Zeit kein fließendes Wasser gibt. Und diese Einstellung, die mir in Tansania so normal und einfach vorgekommen ist möchte ich in mein Leben hier in Deutschland integrieren.
Eine weitere Sache, die ich zwar schon davor wusste, mir aber in der Zeit in Tansania erst richtig bewusst wurde, ist wie gut es mir in meinem Leben in Deutschland eigentlich geht.
Weil gerade unter den Massai ist es oft, nicht wie in Deutschland selbst verständlich zum Beispiel drei Mahlzeiten pro Tag zu haben, in die Schule gehen zu können oder eine gute medizinische Versorgung zu bekommen oder seinen Ehepartner selber heraussuchen zu können.
So stimmt es wirklich, dass man nicht viel braucht um glücklich zu sein und oft weniger sogar mehr ist. Und dafür sind viele Tansanier der lebende Beweis. So bringen beispielsweise Dinge wie zwischenmenschliche Beziehungen oder einfach im Moment zu leben,
ohne sich über die Zukunft zu sorgen oder die Vergangenheit zu bereuen wahres Glück.
Dabei habe ich gelernt, dass man für ein erfülltes Leben Verantwortung für sich, seine Emotionen und Wohlbefinden übernehmen muss, indem man zum Beispiel seine Bedürfnisse gegenüber anderen klar ausdrückt.
Darüber hinaus ist mir auch neu bewusst geworden, dass wir alle nur Menschen sind, egal ob wir aus Tansania, Deutschland, Schweiz, China oder sonst woher stammen. Niemand ist perfekt. Jede Kultur und Denkweise, egal wie verschieden sie sein mögen hat ihre guten, aber auch schlechte Seiten. Und solange man nicht überheblich wird kann man von jeder Person etwas lernen, denn hinter vielen Menschen steckt mehr als man auf dem ersten Blick vielleicht denkt.
Jedoch muss ich zugeben, dass ich noch in vielen Dinge, die ich gerade in dieser Zeit gelernt habe noch einen weiten Weg vor mir habe, diese wirklich in mein alltägliches Leben in Deutschland zu integrieren. Aber „Hamna shida“. Wichtig ist nur, dass ich dran bleibe und nicht aufhöre dazuzulernen.
Zum Abschluss möchte ich nochmal für die Zeit, die ich in Tansania verbringen durfte
meine Dankbarkeit ausdrücken. Es war auf jeden Fall eine Zeit, die durchaus herausfordernd, aber auch sehr lehrreich war. Was diese Zeit für mich aber so schön gemacht hat war neben dem fantastischen Team, die beeindruckenden Menschen und Natur die Tatsache, dass ich mir viel weniger Sorgen als in Deutschland gemacht habe und es deswegen auch (fast) keine Probleme hatte.
Michael Dölker | Mit APCM in Tansania
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Ein Auslandsjahr zu zweit:
Nahhalltig weltwärts mit Janina Erst Studium und dann weltwärts – und das auch noch gemeinsam mit dem Partner? So erlebt es Janina, die nach dem Referendariat mit ihrem Mann auf die Philippinen für einen APCM-Freiwilligendienst gegangen ist. Dort arbeitet die ausgebildete Lehrerin in einer Schule, während ihr Mann auf der dazugehörigen Farm im Einsatz ist. Wie der Unterricht in einem für sie komplett anderen Schulsystem ist, wie sie und ihr Mann bei der Organisation des gemeinsamen Auslandsdienstes vorgegangen sind und ob Abenteuer oder Alltag bei ihnen überwiegen, das erzählt Janina im Podcast.